Wolkig, mit Aussicht auf ..?



Wer bestimmt, worüber wir sprechen? PolitikerInnen, JournalistInnen, Werbeleute,  SeriendrehbuchautorInnen oder gar wir selbst?

Und, warum ist dieser Frühling eigentlich so warm und trocken?

Ein oft unterschätzter Faktor in der medialen Berichterstattung ist das Wetter. Damit meine ich weniger den meist aus heißer Luft bestehenden tendenziösen Journalismus, der politische Wetterkapriolen ausnützt oder erzeugt. Was mich seit der ersten Redaktionssitzung an stört ist der mediale Bullshit-Reigen, der sich aus Ressourcenknappheit und Kreativitätsmangel durch alle Medien zieht - nennen wir ihn Jahreszeitenjournalismus

Er ist so simpel wie allgegenwärtig: So tafeln die Gezeitenredakteure im Herbst ihren Lesern die Erstklassler auf und leiten verlässlich den Countdown zur Winterreifenpflicht ein. Vor Wintereinbruch tauchen ebenso regelmäßig die Obdachlosen auf und teilen sich die Seiten mit den gefürchteten Dämmerungsdieben, woraufhin im Winter die Schneeattacke droht, das Klima in den Titel wandert und wir im Frühjahr den Prognosenhagel erwarten - bevor im Sommer die Bäder verglichen, die Kilos verjagt und die Redaktionspraktikanten die leeren Felder mit Agenturartikeln bestellen dürfen. Und warum auch nicht? 

Es ist ja auch so schön aufregend unaufgeregt sich auf die wiederkehrenden Aufhänger zu verlassen. Der Regen ist auch wunderbar unpolitisch und das Glatteis hassen wir sowieso alle. Also warum nicht den Wetterbericht den Nachrichten voranstellen, Wetter.com in den Banner geben,  den graumelierten Anchorman mit der hübschen Wetterfee ersetzen und anstatt des Polittalks die Servicesendung ins Hauptabendprogramm bringen - mit Temperatur-Live-Ticker für alle Wahlkreise? So kann man Redaktionssitzungen verkürzen und Ressourcen sparen.

Investigative Welten tun sich auf: Die weltweite Wetterverschwörung, das korrupte Klimakartell, die frivole Frostschutzfalle… Die Geschichten liegen förmlich auf der Straße - als Schnee, Eis, Schlamm - und schreiben sich praktisch von allein (ab). Ja, die Jahreszeiten sind die wahren Agenda-Setter unserer Gesellschaft – immer aktuell - berichtenswerte Betroffenheit überall.

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