Eine neue Außenpolitik der Mitgestaltung
Ich warne Sie gleich vor: In dieser Sache bin ich voreingenommen. Denn während sich viele Österreicher*innen vielleicht denken, die Außenpolitik ihres Landes betreffe sie nicht direkt, hat sie in meinem Leben schon einige Spuren hinterlassen. Eine davon kam kürzlich dazu, als der Großvater meines kleinen Sohnes fast daran verzweifelt wäre, ein Schengen-Visum zu beantragen. Er würde gerne das erste Mal seinen Enkelsohn in Wien besuchen, doch die bürokratischen Hürden machen es grenzüberschreitenden Familien wie unserer derzeit sehr schwer: Im Fall der Türkei (mittlerweile Türkiye) wurden nämlich viele Visa-Angelegenheiten an eine externe Firma ausgelagert. Vielleicht ist das günstiger, zu funktionieren scheint der Prozess trotzdem nicht.
Denn selbst monatelang im Voraus ist es schwierig einen Termin zur Beantragung zu ergattern. Auf meine Beschwerde beim Konsulat in Istanbul erhielt ich nur eine standardisierte Antwort: „Wir sind – wie alle Schengenpartner – bemüht so viele Termine wie möglich anzubieten. Leider können wir aus Kapazitätsgründen nicht jedem Terminwunsch entsprechen.“ In diesen Momenten scheint die Festung Europas besonders undurchdringlich. Österreich unterhält seit genau 100 Jahren diplomatische Beziehungen mit dem Land, doch was Viele für selbstverständlich halten, kostet Geld. Der Bedarf an qualifiziertem Personal und Ressourcen für konsularische Tätigkeiten steigt in einer globalisierten und digitalen Welt stetig an. Demgegenüber steht Österreichs Außenpolitik vor der Herausforderung, nicht nur diese Abläufe effizient zu gestalten, sondern sich auch inhaltlich neu aufzustellen.
Elitäres Denken durchbrechen
In einer vom OIIP organisierten Debatte kritisierten Expert*innen wie der frühere Diplomat Wolfgang Petritsch die chronische Unterfinanzierung der österreichischen Diplomatie. Denken wir an die vermeintlichen außenpolitischen Highlights österreichischer Politiker*innen, zeigt sich deutlich, dass Österreich auf internationaler Bühne mehr zum medialen Schmunzeln und Wundern beiträgt, als dass es echte Vermittlungs- und Lösungskompetenz beweist. Man denke an eine einknickende Außenministerin, einen zweifelhaften Moskaubesuch, ein taktisches Schengen-Veto oder die peinliche „Wiener Erklärung“. Auch die Evakuierung von Österreicher*innen aus Israel nach dem Angriff der Hamas warf ein unvorteilhaftes Licht auf die bestehenden Defizite. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass die Außenpolitik eines Landes nicht nur von einem Ministerium oder einer Regierung allein gestaltet wird.
Andere Ministerien, Länder, Städte, Interessensvertretungen, insbesondere auch zivilgesellschaftliche- und kulturelle Institutionen prägen die Beziehungen Österreichs mit anderen Staaten und ihrer Bevölkerung. Umso dringender braucht es – so auch die Expert*innen am Podium – eine Bewusstseinsänderung in Österreich: Raus aus dem elitären Denken hinter den ehrwürdigen Gemäuern und sich für Denkanstöße und Beiträge aus verschiedenen Ecken des Landes öffnen. Dazu müssen ideologische Grenzen abgebaut werden und verschiedene Akteur*innen aktiv eingebunden werden. Unter Public Diplomacy verstehen wir eine Vielzahl von persönlichen Ansichten von Individuen, die zusätzlich zur offiziellen Regierungslinie, die Wahrnehmung eines Staates im Ausland beeinflussen. Die „Soft Power“ (Joseph Nye) von zivilgesellschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Akteur*innen ist eine Ressource, die in Österreich leider zu gering genutzt wird. Neben Think Tanks sollten auch Universitäten Entscheidungsträger*innen stärker mit Expertise versorgen.
Responsive Außenpolitik
Ich wage zu bezweifeln, dass die Außenpolitik in den aktuellen Regierungsverhandlungen eine große Rolle spielt. Und warum auch, es ist ja nicht so, dass Europe militärisch bedroht wäre, im Nahen Osten eine Eskalation nach der anderen folgt und die EU mit Donald Trump im Amt bald allein auf weiter Flur stehen wird während sich Rechtspopulist*innen die Union für die Interessen ihrer Klientelpolitik nutzen. Verzeihen Sie bitte meinen Sarkasmus! Tatsächlich brauchen wir genau jetzt eine breite Debatte darüber, wie eine neue österreichische Außenpolitik aussehen sollte und wie sich Österreich als relevanter Akteur positionieren sollte.
Je diverser die Stimmen sind, die diese Debatte führen, desto größer sind die Chancen, sich künftig nicht mehr so einfach zu verlaufen. Denn auch die Um- und Irrwege der österreichischen Außenpolitik kosten letztlich Geld, von Image-Schäden nicht zu sprechen. Fangen wir vielleicht damit an, jenen Menschen zuzuhören, die direkt von den aktuellen Defiziten betroffen sind: jene vor den Toren unserer Botschaften und Konsulate und jene, die es über die Festung geschafft haben, genauso wie die vielen, die noch darauf warten. Denn nur mit stärkerer Zusammenarbeit kann diese neue Außenpolitik responsiv sein, also schnell und flexibel auf Veränderungen innerhalb wie außerhalb unserer Grenzen reagieren.
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