Aus der Mitte entspringt der Frust

Am 15. März feiert Ungarn seinen größten Nationalfeiertag. Für Budapest heißt das: die Stadt wird aufgeteilt, in politische Sektoren. Demo am Ostbahnhof, Kundgebung der Rechten oder Brot und Spiele des Fidesz? Ungar, entscheide dich! Links oder Rechts? Für die Mitte fehlt wohl der Platz. Und alle haben sie ihre eigenen Reden, Symbole und Traditionen. Die meisten behaupten von sich eine Deutungshoheit gegenüber der Geschichte zu haben. Was das für die Gestaltung der Zukunft heißen kann, durfte man heute am Petőfi Tér erahnen, wo erneut die rechtsradikale Partei Jobbik ihre Anhänger versammelte. Das Publikum gemischt. Von der patriotischen Oma, dem Biker im Lederdress, den solidarischen Fahnenschwingern aus Polen bis zu den Bobos und Jungfamilien waren auf den ersten Blick alle sozialen Schichten darunter.

Zum Beginn der Kundgebung stimmt man erst mal die ungarische Nationalhymne an.

Ob Jobbik- oder Fidesz-Mantel, mit Stolz und Selbstverständlichkeit trägt Alt und Jung heute die trikolor-farbige Kokarde als Zeichen der nationalen Zugehörigkeit. 


Patriotismus. Nationalismus. Radikalismus. An Tagen wie diesem erscheint es noch schwieriger dazwischen zu unterscheiden. Nicht nur die Parolen und das Fahnengewirr kann Schwindel erzeugen. Einmal mehr wäre ein Grundkurs in National-Symbolik von Nöten.

  Hier treffen die  rot-weiß-gestreiften Fahnen des "tausendjährigen Reichs" auf die blau-goldenen Széklerfahnen,

die Lederjacken mit Großungarn-Motiv des Motorradklubs auf die Schirmmützen der Garde,

die altungarischen Runen auf die Großformate der Partei,

und am Rand spielt der Nachwuchs im Großungarn-Trikot.


Politisch ist die Mitte in Budapest schwer zu finden. Geografisch würde ich sie so Pi mal Daumen an der Donau suchen. An deren Ufer stieß ich heute jedoch auf die Jobbik-Kundgebung. Nun, dann liegt wohl auch Hollywood falsch, und aus der Mitte entspringt mehr Frust als Fluss.* Ein schlechtes aber doch passendes Wortspiel** als rot-weiß-rotes Fade-Out an diesem Feiertag.


*Robert Redford: "Aus der Mitte entspringt ein Fluss / A River Runs Through It" - 1992
** Das Wortspiel stammt übrigens nicht von mir, sondern vom Journalisten und Blogger Richard Gutjahr, dessen Blog ich am Rande auch empfehlen darf.

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