Drachentöter ziehn nach Brüssel
Von der Jagdhornbläsergruppe bis zum Stockschützenverein, vom
polnischen Pfarrer bis zum Schrotthändler am Ortsrand – St. Georgen gehört zum
provinziellen Durchschnitt Oberösterreichs. Die meisten St. Georgener haben
Pflichtschulabschluss und Lehre, sind unselbstständig beschäftigt und arbeiten
in der Warenherstellung. Sie pendeln täglich in eine andere Gemeinde oder einen
anderen Bezirk, leben mit ihren Paarfamilien und 1,72 Kindern im eigenen
Haus. Zehn von ihnen haben keinen österreichischen Pass. Einer oder eine kommt
aus dem EU-Ausland. Ob diese Person die
Leitkultur bedroht, ist nicht bekannt. Sicher ist: 47,37 Prozent wählten am Sonntag die FPÖ.
Die Innviertler Gemeinde ist nach dem Heiligen Georg benannt, einem Märtyrer, der vermutlich aus Kappadokien stammt, einer Region im heutigen Anatolien. Der Legende nach hat Georg eine Jungfrau aus den Fängen eines Drachen befreit. Als Drachentöter hat er das Sinnbild des Bösen besiegt. Auch wenn in St. Georgen am Fillmannsbach heute kein türkischer Staatsbürger wohnt, ist sich die Gemeinde offensichtlich ihrer anatolischen Wurzeln bewusst: Der Drachen ist das Wappentier der Gemeinde. Die katholische Kirche im Ortskerns ist nach Osten hin ausgerichtet.
 |
"An einem kleinen Muster können wir oft
das ganze Stück beurteilen"
Miguel de Cervantes-Saavedra
(Schriftsteller, u.a. Don Quixote de la Mancha)
|
Die Bedeutung der oben beschriebenen Gemeinde liegt - seien wir uns ehrlich - weniger in ihrer Einzelhaftigkeit als in ihrer Symbolträchtigkeit. Der Frust der St. Georgener ist Sinnbild für das Ganze. Denn die Legende vom abendländischen Kreuzritter, der gegen das Böse kämpft, hat mit der jüngsten Wahl großen Einzug ins EU-Parlament genommen. In Form einer populistischen Partei, die als Drache im Schafspelz die zornigen Dorfbewohner gegen Windmühlen aufgehetzt. Sie erscheinen ihnen wie Riesen. Daher rüsten sie den neuen Helden mit (47% ihrer) Wählerstimmen aus und schicken ihn als Märtyrer nach Brüssel, um Wunder zu vollbringen. Don Quijote hat am Totenbett seinen Unsinn erkannt. St. Georg wurde enthauptet. Die Zukunft wird zeigen, ob die Realität für ihre "Helden" ein ähnliches Ende wie in Mythologie und Literatur bereithält.
Kommentare