Hier könnte meine Meinung stehen.

Hier könnte meine Meinung stehen.  Ausgerechnet heute will mir die klare Stellungnahme nicht gelingen...Stellung beziehen....oder Stellung abschaffen?... Noch vor wenigen Monaten hatte ich auch ohne Befragung, bereits eine Antwort parat. Heute sitze ich vorm PC und es mag mir weder ein schönes Totschlagargument noch ein polemischer Text einfallen. In den vergangenen Wochen hat ein gutes Argument ein gutes Gegenargument abgelöst. Überforderung machte sich breit. Nicht nur bei mir. In wenigen Stunden gibt's eine Entscheidung. Bevor ich jetzt Richtung Wahl marschiere, noch ein paar Gedankenfetzen meinerseits...

Wehr, wenn nicht er?
"Ist so, weil ist so. Bleibt so, weil war so" - Dieser Spruch stammt  aus dem schweizer Militär-Jargon, könnte natürlich auch auf vielen Kissen konservativer Politiker gestickt sein. Diese hämmern mir seit Wochen systemerhaltende Argumente in den Kopf. Sie schmücken sich mit reformatischen Vorsätzen und überschminken damit die Tatsache, dass sie diese Kritiklawine selbst niemals ins Rollen gebracht hätten. Ist ihnen klar, dass dieses Spiel schon in Kürze vorbei sein wird? Dass ein JA zur Wehrpflicht auch ein JA zu einer richtigen Reform sein würde? Dass sie selbst dann aktiv werden müssten - eine gierige Großpartei und ein sensibilisiertes Volk im Nacken? Die politische Kapitulation wäre ohne einem guten Schlachtplan vorprogrammiert.

Ziviler Dienst der Ungehorsamen

Ich arbeite täglich mit Zivildienern zusammen und erwarte Motivation und Engagement von ihnen. Ich weiß gut um die Sorgen jener, die durch das Schicksal auf diese Stützen des Sozialsystems noch viel mehr angewiesen sind als ich. Vielen von uns ist erst jetzt klar geworden, wie unfair und brüchig diese Stützen eigentlich sind. Die Arbeit von Zivildienern wird unfair bezahlt und oft als selbstverständlich angesehen. Ich blicke mich in der Gesellschaft um, und sehe FrisörInnen, VerkäuferInnen, FacharbeiterInnen, denen es genauso geht. Können wir es uns überhaupt leisten, Freiwilligen 1.400 Euro zu zahlen, solange wir es uns leisten, die miesen Löhne dieser Menschen zu ignorieren? Dazu kommt der Ärger, dass jene, die noch heute als Verweigerer und Schlimmeres beschimpft werden, heute für die Wehrpflicht wählen werden. Sie retten damit ein System, dass sie selbst nie ganz akzeptiert hat.



Rückzug nach innen

"Wähler lassen sich nicht mehr wie Stimmvieh behandeln."schrieb Standard-Chefredakteurin Föderl-Schmidt gestern. Hier in der süd-west-oberösterreichischen Prärie sieht es leider etwas anders aus. Das Vieh...pardon...das Volk muht...pardon...murrt, aber es bleibt schön angebunden and die schwarzen und roten Ketten ohne zu merken, dass sie längst die Kraft hätten, diese Ketten zu zerreißen. Vielmehr zieht man sich hierzulande zurück - nach innen. Die Meinungen sitzen in den Wohnzimmern vor den TV-Geräten, sie prallen an den Stammtischen aufeinander und heben mit den Skiliften ab - dennoch bezweifle ich, dass sie es bis in die Wahlkabinen schaffen.

Föderl-Schmidt schreibt von der "vertanen Chance" für Österreich, eine spannende, demokratipolitische Debatte zu führen. Anstatt über die Möglichkeiten der direkten Demokratie zu diskutieren, wäre es bei dem gewohnten Parteien-Hick-Hack geblieben. Während sie den Zivildienst als "Nebenschauplatz" der Debatte sieht, sehe ich hier die Front. Vielen Leuten ging und geht noch heute die Wehrpflicht am ... vorbei. Moralisch gesehen ist das verwerflich. Menschlich gesehen aber auch wieder verständlich. Die meisten aber haben eine Meinung zum Zivildienst. Sie sind selbst bei einer Sozialorganisation, sind ehrenamtlich tätig oder wurden schon mal von einem Zivi ins Krankenhaus chauffiert. Das soziale Bewusstsein, wenn man das so nennen kann, ist unter den Menschen vermutlich größer, als ihr Sicherheitsbewusstsein. Eine ernsthafte Diskussion über unser Sozialsystem und damit auch über den Zivildienst hätte viel mehr genützt, als eine Debatte über die Wehrpflicht.

Call me ... Charly.

Worum geht es in dieser Debatte eigentlich? Worüber wird diskutiert, und worüber sollten wir eigentlich reden? Wer ist in dieser ganzen Debatte mein Gegner? Ist es eine Partei? Ein Spitzenkandidat? Ein Kanzler oder ist es der überbezahlte, faule Offizier? Nein. Der Gegner ist die eigene Inkompetenz. Der Schweinehund, der sich lieber mit Arztserien als mit Nachrichten beschäftigt, der keine Zeitung liest und wenn dann nur das TV-Programm. Der, der nicht gefragt werden will, weil er keine Antwort hat. Weil er nur weiß, dass er eigentlich gar nichts weiß. Der nichts wissen will. Der gleichzeitig der Politik wissen lässt, dass er nichts von ihr hält. Während er am Stammtisch seine Zähne flätscht, fehlt ihm bei Argumenten der Biss. Zahnlos und stimmlos sitzt er morgen abend dann vorm Fernseher, denn neugierig ist er ja trotzdem. Und er wird heftig den Kopf schütteln, sich ärgern, einmal kräftig fluchen. Und umschalten.



#Volksbefragung #Zivildienst #Wehrpflicht #Freiwilliges Soziales Jahr #Berufsheer

Kommentare