Nicht nur das profil kann über small talk schreiben!

Ich würde diesen Blogeintrag gern mit "neulich" beginnen, habe aber Angst dafür von Matthias Grilj des Ideenklaus bezichtigt zu werden, also lass ich das "neulich" weg und mach es schön konkret:


Am Samstag, um 17 Uhr Mitteleuropäischer Zeit haben mein Freund und ich inmitten unzähliger schwitzender und gut gelaunter Menschen gestanden - weil Stadtfest in Graz und weil man da hin muss, wie ich der Zeitung geglaubt habe. Also Pulli ausgeziehen. Raus aus der kühlen Wohnung. zum Hauptplatz fahren. Und nun stehen wir - weil Sitzplätze gab es nicht mal in der Einser - inmitten dieser gesichtslosen Schweißperlen und starren angewiedert und ignorant wie alle anderen aus dem Fenster.

Und so schön diese Massenveranstaltungen auch sind, eines muss man sich bei gutem Wetter gewiss sein - ein schönes Plätzchen im Gastgarten kann man um diese Uhrzeit vergessen.

Wir aber nicht zimperlich setzen uns zu einem nett aussehenden älteren Pärchen an den Tisch. Da sitz man also. Gegenüber zwei wildfremde Menschen. Zu weit weg, um mit ihnen unbedingt sprechen zu müssen. Zu nah beisammen, um sie ignorieren zu können.
Eine dumme Situation, und so suchen sich jedes der acht Augenpaare ein bis zwei schöne Stellen außerhalb der blickrichtungen der anderen und wechselt in regelmäßigen abständen die Stellen ab.

Ab und zu passiert es dann schon einmal dass sich zwei fremde augenpaare streifen. kurz unangenehm. dann schnell lächeln. aber ja nicht zuviel, sonst müsste man etwas sagen um das Grinsen zu erklären. also das lächeln kurz antäuschen. haben ja alle etwas ahnung vom fußball und passen.

und so vergehen die sekunden und minuten. das gehirn rattert. sucht unverfängliche themen. hat das wetter aber satt. will es nicht ansprechen. also weiterdenken. small talk small talk small talk. Ein zunicken von gegenüber. ein schulterzucken. kurze blickwechsel. dann schnell mit dem freund daneben sprechen. man denkt man könne dem small talk entgehen. doch nein, man hat zu laut gesprochen. das weißhaarige gegenüber erzählt, dass es zum ersten mal in graz ist. "und wir sind seit 5 jahren verheiratet. Heute ist unser Hochzeitstag."

Wieder ein lächeln. Dieses mal nicht angetäuscht, weil jetzt zwischenmenschlichkeit, freude usw. kurze bewunderung, dann wieder stille.

zu faul um ein gespräch anzufangen, zu höflich um einfach wieder aufzustehen. noch nie habe ich mich über einen kellner mehr gefreut als an diesem tag. das weißhaarige und das dunkelhaarig gelockte gegenüber machten platz für ihre teller. perfekt. das essen schmeckt ihnen. DA! Ein Thema.
"Mahlzeit!"
- "Danke!"
das ist ja schon mal was. nach ein paar minuten kann man dann fragen wie es schmeckt.

"Und, schmeckt es Ihnen?" - dabei etwas zustimmend lächeln, kopf etwas nach vorne und augenbrauen nach oben. alles schon routine.

- "JA, sehr gut!"

Traumhaft. Für die nächsten minuten hat man ruhe. wäre ja unhöflich sie am essen zu hindern. das eigene essen dann rechtzeitig bestellen, damit es ungefähr bei ihren letzten bissen kommt.
man isst. hat wieder ein thema. isst langsam. wartet bis sie ausgetrunken haben.
vielleicht doch kurz übers Wetter reden. sie zahlen.

"Ach, sie gehen schon"
- "Ja, wir müssen leider"

Jetzt die richtige Balance aus höflicher wehmut und freundlichen wünschen finden.

"Schönen Abend noch!"
- "Ihnen auch"

Und der Abend ist gerettet.

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